Tempora Mutatur...

...und wir mit ihnen, meine werten Leser. Nur die geistige Beschränktheit überwindet die Zeit und den Raum, die Sturrheit und Verliebtheit in Stereotypen - und vor allem in sich selbst. Dabei wird darüber nicht reflektiert, dass das, was heute als übel postuliert wird, früher das Gute bedeutete - und umgekehrt, und auch gleichzeitig gleichwertig. Der Mensch strebt stets an, die Symbolen zu erheischen, jedoch nicht, um sie zu Begreifen oder gar zu hinterfragen. Nein, um sie zu zweckentfremden. Es geht nur um das Eigene, um den Status, um die Macht.

Jetzt gerade höre ich "Gaudeamus Igitur" hinter dem Fenster erschallen. Früher wurde dieses lustges Liedchen in den Studentenkneipen (etwa wie Auerbachs Keller) unter intensivem Alkoholrausch fröhlich und kumpelhaft gesungen, was sage ich, gebrüllt. Denn auch der Text an sich, der ganz und gar unter dem Zeichen von "Carpe diem" konzipiert ist, regt zum Hedonistischen an: "So wollen wir uns freuen, solange wir jung sind". Es wurde gesungen, gepöbelt, gerulpst und gevogelt, bis der Rektor kommt.

Nun aber, in strenge Reihen, in feierlichen Fracks und Anzüge gekleidet, besingen brav und tugendhaft die Chöre die Authorität "Universität", indem sie - ohne darüber nachzudenken - als ein traditionelles Lied ausgerechnet Hedonistenhymnus "Gaudeamus Igitur" gewissenhaft meistern. Eine Tradition, die aber ganz anders rezipiert wird, wenn man es denn so will.

Die Symbole haben längst die Macht übernommen, und dieses Problem erkennen leider nur noch die Boten der Postmoderne, Strukturalisten, Semiotiker und andere einsame Vogel unseres reichen Panoptikums names Erde...

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