G-Man

Wenn es heute um die sogenannten "Killerspiele" die Rede ist, da denkt man, diese digitalen Code-Klumpen machen den Menschen zu einem Gewalttäter. Diese Erklärungen sind miserablen Versuche, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von Hauptproblemen bei Gewalt wegzulenken, und die Hauptprobleme stecken bei Weitem nicht in PC-Spielen, sondern in der Gesellschaft, in der Familie, im Bildungssystem. Da es aber selbstverständlich ungemütlich ist, solche heiligen Werte in Frage zu stellen, versucht man Computerspiele als Sündenbock zu nutzen, nach dem Motto: "schadet keinem, ausser der kleinen pickeligen Gruppe der spätpubertärer PC-Spieler, die sowieso nicht mitreden dürfen, ob ihrer gesellschaftlichen Desintegrität".

Und so bleibt die Welt der PC-Spiele eine zweitsortige Kultur, eine Kultur, Unterhaltungsmedium, so wie auch die Comics in Deutschland. Das hat uns übrigens die Aufklärung verbockt: "Denke, glaube an Deine Vernunft!" Da der Mensch aber engstiernig und einspaltig ist, glaubt er lieber an den Text (den jemand Vernünftiger geschrieben haben soll). Textfixiertheit ist ikonoklastisch. Da man aber heutzutage auch kaum liest, wird der Mensch textlos, bildlos, ideenlos.

Doch genug depressiven Worte. Es lebe die Lyrik!

Denn beispielweise Half-Life 2 (von Valve Corporation) mutet sehr poetisch an. Schaut Euch zunächst diese Einblicke in die postapokalyptische Dystopie (man hat die Möglichkeit, innerhalb des Spiels Fotos zu machen). Die Poesie des Zerfalls. Die konstruierte Alltagsverschleiss. Die evozierten Erinnerungen.

Die im Blickfeld schwebenden Waffen sind ein Nebenprodukt der Bildung von "zweiter Realität". Es soll Euch nicht stören, wie mich bei von Eichendorff und Heine ihre ewigen, aber auch substanziellen "ach!" nicht stören.

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Nun, jede Welt hat ihr Mysterium. Unsere Welt hat jede Menge davon.

Die Welt von Half-Life hat den G-Man.

Das ist ein unscheinbarer Charakter im Anzug, mit Koffer, der überall und nirgendwo ist. Man begegnet ihm zufällig im Laufe der Geschichte, er taucht in wichtigsten Szenen auf, um gleich darauf zu verschwinden. Doch wenn man die Augen öffnet, findet man ihn überall - im Schatten alter Hausruinen, auf den Dächern, in schwer zugänglichen Tunnels. Er ist omnipräsent und - und das ist das wunderbare! - man kann nicht erkennen, ob er ein Bösewicht oder ein Freund ist. Nicht alles im Bereich der Unterhaltung ist einfach und primitiv, wie man es uns einzuflustern bestrebt ist.

Nun seine Präsenz hat mich zu diesem Gedicht inspiriert:











Original ist in meinem Literatursalon zu finden: http://merzerature.blogspot.com/2009/10/g-man.html

Hier kommt die Übersetzung:

Wenn ich durch Ruinen eile,

Wenn ich blind auf die Strassenschluchten starre,
Erkenne ich deine unscheinbare Figur,
Irgendwo zwischen Dächern, Schornsteinen, Fenstern

Du stehst immer still,
In Deinem grauen Anzug,
Mit Deinem Koffer

Schweigend. Abwesend. Da?

Ich frage mich oft,
Ob du je heimkehrst.
Trautes Heim...

Wo Deine wunderschöne Herzallerliebste
Auf Dich wartet,
Mit warmen Kuss
Auf ihren Lippen.

Oder vielleicht
Schwindest du,
Entweichst,
Wenn ich mich auslogge.

Keinen Koffer
Mehr
Keinen Anzug
Mehr
Nur die Finsternis
Immerwährende
Finsternis

Übrigens, das Video hat deutsche Untertitel. Dafür muss man einfach folgenden Knopf im rechten unteren Bereich des Videos betätigen.
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